Prof. Dr. Götz Aly Foto: Andreas Labes |
Es ist den Redakteuren von "Buch, Kultur und Lifestyle" eine besondere Freude, allen Lesern mitteilen zu dürfen, dass Prof. Dr. Götz Aly für sein Buch "Europa gegen die Juden. 1880 – 1945" (S. Fischer) am 19.11.2018 mit dem "Geschwister-Scholl-Preis 2018" ausgezeichnet wird.
Zu diesem Buch hat unser Redaktionsmitglied Peter J. König im letzten Jahr eine Rezension auf "Buch, Kultur und Lifestyle" verfasst, (anbei der Link zu Rezension: "Europa gegen die Juden. 1880 – 1945") und auch ein viel gelesenes Interview mit dem Autor realisieren können, (anbei der Link zum Interview: Peter J. König im Gespräch mit Prof. Dr. Götz Aly über sein Buch "Europa gegen die Juden. 1880 – 1945".)
In der Jury-Begründung heißt es: "Die Erforschung der Verbrechen des Nationalsozialismus hat der Historiker Götz Aly
mit bedeutenden Büchern vorangetrieben, darunter ‚Vordenker der Vernichtung‘ (1991,
mit Susanne Heim), ‚Hitlers Volksstaat‘ (2005) und ‚Warum die Deutschen, warum die
Juden?‘ (2011). In seinem jüngsten Buch ‚Europa gegen die Juden. 1880-1945‘ zieht er
eine Art von Summe – indem er eine markante These zu den Möglichkeitsbedingungen
des Holocaust umfassend belegt und begründet, mit ganz Europa im Blick. Der Antisemitismus
war demnach nicht die Sache einer Minderheit von irrationalem Hass getriebener
Fanatiker. Für die Verdrängung der Juden aus dem bürgerlichen Leben gab es rationale
Gründe – rational im Sinne von: erklärbar, aus den materiellen Interessen derjenigen, die
von der Beseitigung der Konkurrenz profitierten. Mit verblüffendem Effekt zitiert Aly
aus der prophetischen Geschichtsschreibung des bayerischen Finanzbeamten Siegfried
Lichtenstaedter, der 1942 in Theresienstadt ermordet wurde. Es war möglich, den
Holocaust vorauszusagen. Dann hätte er auch verhindert werden können. Und dann
sollte es wenigstens möglich sein, ihn zu erklären.
Der Neid auf die als besonders tüchtig wahrgenommenen Juden ist auch nach Aly nicht
die einzige Ursache dafür, dass Vorurteile im Völkermord kulminierten. Aber von dieser
Ursache ist zu selten die Rede: So hässlich der Neid aussieht, er ist mit Werten verknüpft,
die heute noch hochgehalten werden. Einwanderungsbeschränkungen und Berufsverbote
waren sozialpolitische Maßnahmen, die in Gesellschaften des massenhaften sozialen
Aufstiegs im Namen der Chancengleichheit ergriffen wurden. Heute wird in der Flüchtlingspolitik
ein Widerstreit zwischen humanitären Imperativen und sozialstaatlichen
Besitzständen beschworen. Alys Kapitel über die Konferenz von Évian 1938 liest sich in
diesem Sinne als Lehrstück. Welche Lehre daraus zu ziehen ist, müssen Leserinnen und
Leser selbst entscheiden. In einem Zeitungsartikel über Évian hat Aly in diesem Sinne
den Historiker Aly vom Bürger Aly unterschieden.
Der Historiker hat die Forschung als Außenseiter geprägt, ohne Lehrstuhl und Apparat.
Der Bürger sucht als Publizist den Streit, weil er auf dessen klärende Wirkung setzt.
Manchmal streitet der Historiker Aly sogar mit dem Bürger Aly. Auch damit setzt Götz
Aly ein Beispiel für geistige Unabhängigkeit und intellektuellen Mut.“
Götz Aly, geboren 1947, ist Historiker und Journalist. Er arbeitete u.a. für die „taz“,
die „Berliner Zeitung“ und als Gastprofessor. Seine Bücher wurden in viele Sprachen
übersetzt.
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V. und die
Landeshauptstadt München vergeben 2018 den mit 10.000 Euro dotierten Geschwister- Scholl-Preis
zum 39. Mal. Sinn und Ziel des Geschwister-Scholl-Preises ist es, jährlich ein
Buch jüngeren Datums auszuzeichnen, das von geistiger Unabhängigkeit zeugt und
geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen und ästhetischen Mut zu fördern und dem verantwortlichen Gegenwartsbewusstsein wichtige Impulse zu geben.
Zu den Preisträgern zählten in den letzten Jahren unter anderem Hisham Matar, Garance
Le Caisne, Achille Mbembe, Glenn Greenwald, Otto Dov Kulka, Liao Yiwu, Joachim Gauck,
Roberto Saviano, David Grossman und Anna Politkovskaja.
Der Geschwister-Scholl-Preis wird im Rahmen des Literaturfests München vergeben.
Die Preisverleihung findet am 19. November 2018 in der Großen Aula der Ludwig- Maximilians-Universität
statt.
Götz Aly
Europa gegen die Juden
1880 – 1945
S. Fischer
432 Seiten,
€ 26,00
ISBN:
978-3-10-000428-4
Europa gegen die Juden: 1880 - 1945