Gemälde eines jungen Chinesen in der EZB |
Gestern, am 8. Juni 2013, hatte ich Gelegenheit an insgesamt drei Kunstführungen der Veranstaltungsreihe „Kunst privat“ teilzunehmen. Wie der hessische Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, Florian Rentsch bekundet, wird den teilnehmenden Unternehmen und Institutionen an den beiden Tagen Gelegenheit geboten, ihr kulturelles Engagement zu zeigen. Der besondere Reiz für Besucher besteht darin, Kunstwerke sehen zu können, die ansonsten nicht zugänglich sind.
Einfach war es nicht, für die Kunstführungen gelistet zu werden. Das hing wohl auch damit zusammen, dass stets nur eine kleine, überschaubare Gruppe in die jeweiligen Gebäude Einlass bekam. Besucht habe ich die Europäische Zentralbank, die Deutsche Bundesbank und die Deutsche Bank.
Davor allerdings saß ich noch gut eine Stunde in der Cafeteria eines großen Buchhändlers in der Innenstadt von Frankfurt und beobachtete das Kaufverhalten der Kunden. Das meist verkaufte Buch in dieser Stunde war "Psychopathen". Offenbar scheint ein großer Bedarf zu bestehen, über diese Personengruppe in unserer Gesellschaft mehr zu erfahren.
Die erste Veranstaltung, die ich besuchte, fand um 11 Uhr in der Europäischen Zentralbank statt. Moderiert wurde sie von der Kunsthistorikerin Veronika Peselmann. Aufgrund der Tatsache, dass für den gestrigen Tag eine Solidaritätsdemonstration der Occupy-Bewegung gegen Willkür, Gewalt und die Einschränkung der demokratischen Grundrechte in Frankfurts Bankenviertel angekündigt war, sind in der EZB die Sicherheitsvorkehrung extrem hoch gewesen. Sogar Gürtel und Uhren mussten beim Einlass abgelegt werden.
Derzeit umfasst die Kunstsammlung in der EZB 300 Arbeiten von Künstlern aus 19 Ländern. Bevor Frau Peselmann einige dieser Werke namhafter Künstler näher erläuterte, wurden den Gästen rund achtzig Bilder chinesischer Schüler präsentiert, die allesamt das gleiche Motiv haben: Die neue EZB, deren Bau derzeit auf dem Gelände der einstigen Großmarkthalle entsteht.
Reinhard Wanzke, der Vorsitzende des Fachverbandes für Kunstpädagogik Hessen, klärte über dieses spannende Projekt auf, dessen Initiator er ist. Auf seiner Reise nach China hat er Abiturienten in Changzhou dazu motiviert, aufgrund eines Schwarz-Weiß-Fotos von der im Bau befindlichen EZB jeweils ihre persönliche Version der Bank zu Papier zu bringen. Daraus wurde ein Gang durch die Kunstgeschichte, was die Darstellungsweisen anbelangte. Die Bilder werden übrigens zum Verkauf angeboten.
Des Weiteren wurden Fotos von der Transformation der alten Großmarkthalle gezeigt. Hier berichtete Peselmann auch von den Kellergebäuden des ehemaligen Objektes, die nun zu einer Gedenkstätte und einem Besucherzentrum umfunktioniert werden sollen, weil in diesen Kellerräumen seitens des Nazi-Gesindels die Frankfurter Juden während der NS-Zeit eingesperrt und von dort aus in Konzentrationslager verschleppt und ermordet wurden.
Von den anderen gezeigten Bildern berührten mich ein großformatiges Foto von Anné Olufsen und eine Skulptur von Charlotte Gyllenhammar am meisten. Zum einen geht es um eine verfremdete Darstellung der Hl. Cecilia, in der der Schmerz der Künstlerin wegen 9/11 sich mit ausdrückt. Bei der Plastik der slowenischen Künstlerin handelt es sich um ein Mahnmal für furchtbare Schicksale von Kindern.
Um 13 Uhr dann nahm ich an der Kunstführung in der Deutschen Bundesbank teil. Das Thema lautete "Goethe und das Geld". Diese Veranstaltung wurde von Sabine Muschler hervorragend moderiert. Sie begann in dem Gebäude, das mich der meergrünen Farbe, der Mailänder gläsernen Dachkonstruktion, der Fliesen und der architektonischen Gestaltung wegen, entfernt an ein Jugendstilbad und damit an den Satz "Hier wird in Geld gebadet" erinnerte, mit der Vorstellung eines Frieses im Eingangsbereich, das Motive aus Faust II visualisiert. Der Künstler dieses Frieses ist Siegfried Rischar, der die Entstehung des Papiergeldes im Geiste Goethes hier darstellt. Frau Musch las aus Faust II die entsprechenden Textstellen, was mir sehr gut gefallen hat.
Sie stellte des Weiteren die Bronze-Skulpturen von Karl-Henning Seemann im Eingangsbereich vor. Hier beeindruckte mich die Darstellung von "Mephisto umschmeichelt den Kaiser" am meisten. Spontan dachte ich an Jakob Fugger.
Zu Willi Schmidts "Helena", dem Sinnbild für Schönheit und manch anderem Werk, das mit Goethes Faust korrespondiert, aber auch über eine Wand mit 29 Gingko-Blättern mit mythischen Szenen erfuhr man das, was man wissen muss, um sich zum Schluss noch an vier Werken Andy Warhols zu erfreuen, die dem großen Sohn der Stadt auf besondere Weise huldigen und in mir spontan den Entschluss reifen ließen, im Anschluss an eine Rast im Bistro "Operncafé" mal wieder das Goethe -Geburtshaus aufzusuchen.
Im Operncafé fand ich einen Platz im Freien, von dem aus ich die Occupy-Demonstration bestens verfolgen konnte. Sehr viele junge Menschen, darunter eine Vielzahl junger Studenten, gaben ihrem Unmut gegenüber der Staatsgewalt kund. An Georg Büchner fühlte ich mich erinnert, dessen Biografie ich gerade gelesen habe. Er hätte einer von diesen empörten Demonstranten sein können. Diese Szene nahm ich ganz bewusst in mich auf, bevor ich zum Geburtshaus desjenigen ging, der im politischen Lied stets ein garstiges sah.
Da ich gestern alle Wege in Frankfurt zu Fuß zurücklegte, machte ich in der Nähe des Goethe-Geburtshauses abermals eine Rast. Diesmal um den besten Kaffee in der Stadt zu genießen. Den gibt es bei Wacker, einer kleinen, vom Feinschmecker ausgezeichneten Kaffee-Rösterei, die ich Besuchern von Frankfurt als Geheimtipp empfehlen möchte.
Im Geburtshaus Goethes war alles unverändert. Da nur wenige Besucher zu dieser Zeit sich dort aufhielten, konnte ich die alten Frankfurter Schränke im Treppenhaus, die Bibliothek und andere Räume in Ruhe betrachten. Ein deutsch sprechender, chinesischer Student war ähnlich begeistert von dem was er sah, wie ich. Wir unterhielten uns leise in einem der Räume, in dem übrigens ein Jugendbild von Goethe hängt. Ich erzählte ihm von den chinesischen Abiturienten und ihren Bildern, die ich in der EZB kennen lernen durfte und er versprach ein Bild von den Frankfurter Schränken im Goethe-Geburtshaus zu malen, als seinen persönlicher Gruß an die Stadt. Diesen Schränken sollten Faust und Mephisto entsteigen, um sich gemeinsam auf den Weg zum Dom aufzumachen.
So unterschiedlich können die Vorstellungen junger Chinesen geprägt sein, von dem was den Geist Frankfurts anbelangt....
Die Gemäldegalerie auf dem Geburtshaus-Gelände besuchte ich natürlich auch. Darüber berichte ich demnächst im Rahmen einer Rezension zum entsprechenden Kunstkatalog.
Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass meine Füße schon arg in Anspruch genommen waren, als ich um 18 Uhr an der Kunstführung in der Deutschen Bank teilnahm. Bedauert habe ich natürlich, dass man dort keine Fotos machen durfte. Noch nicht mal aus dem Fenster des 34. Stockwerks durfte man fotografieren. Dort erinnert der alte Kaiser-Dom von den Ausmaßen her an eine Streichholzschachtel. Natürlich fragte ich mich, wie die tägliche Sicht auf diese Spielzeugstadt das Handeln der Menschen in den dortigen „Think Tanks“ prägt.
Wird durch diese Sicht auf Dauer die Verantwortung größer oder kleiner?
Gezeigt wurden Bilder sehr junger Künstler. Die Gemälde von Richter und Beuys kann man jetzt im Städel- Museum besichtigen. Sie mussten vor kurzem dem Neuen weichen. Möglicherweise ist dies ein Zeichen einer veränderten Geisteshaltung. Gerade die Fotos Zwelethu Mthethwas, der die Würde afrikanischer Menschen in diesem Armenhaus der Welt vielfältig fokussiert, lassen hoffen. Der tägliche Blick auf solche Bilder verändert gewiss auch die Einstellung im Hinblick auf so manche Entscheidung der grübelnden Personen in den "Think Tanks" der Deutschen Bank.
Mein Dank gilt besonders der Studentin Katrin Kolk in der Deutschen Bank, die ihre Sache sehr gut gemacht hat.
Ein gelungener Tag mit vielen Eindrücken.
Helga König
"Mit dem Wissen wächst der Zweifel." Johann Wolfgang von Goethe |
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