Prof. Dr. Barbara Vinken, Alfons Kaiser Foto: Helga König |
Am Donnerstag, den 28.11.2013 um 19.30 Uhr fand im Literaturhaus Frankfurt die Lesung zu Barbara Vinkens "Angezogen. Das Geheimnis der Mode oder: Und sie wissen nicht, was sie anziehen" statt. Die Literaturprofessorin Dr. Vinken irritierte zunächst ein wenig durch ihren ungewöhnlichen, dabei aber sehr schicken Auftritt, den man von intellektuellen Damen in der Regel nicht erwartet. Besonders reizvoll fand ich die Lackschuhe mit aparten Schleifen. Aber auch ihr schwarzes Strickkleid mit Lochmuster im Oberteil vermittelte die Reize der schönen Frau mit Hochsteckfrisur bestens. Ein mutiger Auftritt in der vergeistigten Atmosphäre des Literaturhauses.
Am Podium angelangt, wurde die charmante Dame dann von Alfons Kaiser, dem wenig charmanten Redakteur der F.A. Z, in die Mangel genommen. Pausenlos enervierte er sie wegen ihrer Prada-Tasche und musste auch unbedingt einflechten, dass das vorgestellte Buch von der F.A.Z. verrissen wurde. War das wirklich nötig? Prof. Dr. Vinken mutmaßte, dass der Rezensent der F.A.Z ihr Buch nicht wirklich gelesen habe und begründete dies auch. Ich lese das Buch derzeit übrigens auch und finde es exzellent.
Dem Redakteur der F.A.Z intellektuell haushoch überlegen, begann sie fortan mit ihm zu spielen, indem sie eine etwas manierierte, Weltläufigkeit vermittelnde Diva gab, die in der Konversation ständig die Sprachen wechselt, Gedanken in abgebrochenen Sätzen präsentiert, dabei honigsüß lächelt und auf diese Weise ihren durch seine Einwände kleinstädtisch wirkenden Gesprächspartner an die Wand spielte.
Das zu beobachten war nicht uninteressant, weil Vinken deutlich machte, wie galant eine gebildete, intelligente Frau doch einen uncharmanten Mann in den Senkel zu stellen vermag, ohne dabei stutenbissig zu werden.
Vinken berichtete über das System, das Modewandel beinhaltet, zeigte an einer Leinwand Bilder und begründete ihre Aussagen durch das Anschauungsmaterial. Jil Sander und Coco Chanel waren Thema und auch der Gedanke, dass sich Zeitgeist in der Mode widerspiegelt. In den Augen der Literaturprofessorin kann man in Kleidern lesen wie in einem Gedicht. Die Interpretationsmöglichkeiten sind also immer vielschichtig.
Ihr Buch, das sie in neun Kapitel eingeteilt hat, thematisiert u.a. wie die Mode aus der Männerwelt verschwand und zum weiblichen Laster wurde. Diesen Wechsel zeigte Vinken auch anhand von Bildern u.a. einer Gemäldeablichtung von Ludwig XIV.
Zur Sprache gebracht wurden nicht zuletzt Gedanken von Georg Simmel, die dieser zur Mode in seinen philosophischen Schriften niederlegte, wie auch Überlegungen von Nietzsche zu diesem Thema in „Menschliches, Allzumenschliches.“
Wer mehr darüber erfahren möchte, dass Stoffe, Schnitte, Nähte, Wolle, Leinen und Tweed letztlich kunstvolle Verdichtungen sind, wird Spaß an dem Buch der schönen, geistvollen Frau haben, der ich auch in Frankfurt einen Gesprächspartner gegönnt hätte, der etwas entspannter einen Dialog mit eine attraktiven Dame zu führen in der Lage ist und nicht auf vermeintliche Widersprüche und Schwächen des Gegenübers herumzureiten braucht, um sich ebenbürtig zu fühlen.
Helga König
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