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Mittwoch, 12. März 2014

Bericht von Lesung, am Dienstag, 11.März 2014 Literaturforum im Mousonturm in Frankfurt/Main „Der Baron, die Juden und die Nazis“ mit Jutta Ditfurth.

Gestern Abend stellte die Publizistin und Politikerin Jutta Ditfurth im Literaturforum im Mousonturm in Frankfurt einem sehr interessierten Publikum ihr neues Buch "Der Baron, die Juden und die Nazis" vor. 

Das Werk habe ich jüngst auf "Buch, Kultur und Lifestyle" rezensiert und konnte mir aufgrund der Sekundärinformationen im Vortrag Ditfurths ein noch deutlicheres Bild von ihrem Grundanliegen verschaffen.  Dieses besteht ganz offensichtlich  darin aufzuzeigen, dass der Adel in Deutschland gewissermaßen Steigbügelhalter für Hitler gewesen ist und damit eine Mitverantwortung an der Ermordung der 6 Millionen Juden trägt. 

Ditfurth, selbst adeliger Herkunft, berichtete über den Antisemitismus des Adels, der bereits im 19. Jahrhundert vorhanden war, nicht nur in ihrer Familie, und las aus alten antisemitischen Texten erschreckende Passagen vor, die u.a. Mitglieder elitärer Tischgesellschaften damals von sich gaben. Der Dichter Achim von Arnim, der zu Ditfurths großem Verwandtenkreis  zählt, war einer der namhaften Judenhasser in der Romantik. 

Wie die Frankfurter Politikerin zu Recht fordert, ist es absolut notwendig, diese dunkle Seite der Romantik zur Sprache zu bringen, wenn in Frankfurt wie geplant das Deutsche Romantik Museum gebaut wird, um dort den romantischen Dichtern zu huldigen. Kann man einem Achim von Arnim überhaupt huldigen, nachdem, was er im Hinblick auf Juden von sich gab, frage ich? Kann man seine romantische Lyrik von dem Rest, was in seinem Kopf vorging, wirklich  trennen? 

Ditfurth zeigte aufgrund von zahlreichen privaten Bildern die Schlösser und Rittergüter ihrer Familie, um zu verdeutlichen, worin das Motiv des Adels im Hinblick auf die tiefsitzende Angst vor Juden begründet lag, die sich in krankhafter Ablehnung niederschlug. Es war wohl bereits im 19. Jahrhundert- dem Zeitalter der Industrialisierung-  die Angst, Privilegien und Macht zu verlieren und nach dem tatsächlichen Verlust durch die Abdankung des Kaisers nach dem verlorenen 1. Weltkrieg und dem Beginn der Weimarer Republik der innige Wunsch, egal mit wem und wodurch, die verlorenen Privilegien wieder zu erlangen. 

Der Sündenbock stand bereits im 19. Jahrhundert fest. Es war der Jude. Ideologisch hatte somit der Adel kein Problem mit Hitler gemeinsame Sache zu machen. In dessen Führungselite befanden sich deshalb auch viele Aristokraten. 

Ditfurth sprach die Legendenbildung  im Hinblick auf den  Widerstand des 20. Juli 1944 an. Viele der Widerständler waren Adelige, die lange mit dem NS-Regime kooperiert hatten und wie Ditfurth mittels Texten belegte, sehr antisemitisch ausgerichtet waren. Nicht wenigen ging es, wegen der drohenden Niederlage, eher darum, ihren Kopf zu retten, als dem Antisemitismus  ein Ende zu bereiten, so jedenfalls die Deutung Ditfurths, wobei es offenbar aber auch Ausnahmen gab. 

Sie thematisierte ausführlich ihren antisemitischen Urgroßonkel Börries  Freiherr von Münchhausen, der als Balladendichter  sehr erfolgreich war. Die Autorin kam in der anschließenden Diskussion zu dem Ergebnis, dass dieser Urgroßonkel, nicht nur Balladendichter, sondern auch  ein ausgemachter Rassenideologe, der   Goebbels  sehr verehrte,  aufgrund seiner Herkunft determiniert war und wegen dieser, sich keinesfalls am eigenen Schopf hätte aus dem braunen Sumpf herausziehen können. 

Damit die Zuhörerschaft sich etwas wundern durfte, zeigte Ditfurth u.a. Briefmarken von der Bundesrepublik Deutschland, auf denen nicht zuletzt auch die Dichterin Agnes Miegel zu sehen ist, die bekanntermaßen ein strammes Parteimitglied der Nazis war. 

Ditfurth, die die Gräfin Dönhoff für die Legendenbildung im Hinblick auf den angeblich generell widerständischen Adel in der NS-Zeit verantwortlich macht, zeigte sich pikiert, dass Alice Schwarzer, die Ikone der Frauenbewegung, der Ostpreußin durch die unkritische Biografie, die diese über die Aristokratin verfasste, ein Denkmal gesetzt hat. 

An kritischen Äußerungen mangelt es Jutta Ditfurth nicht, selbst wenn es um die Auseinandersetzung mit dem eigenen Adel geht. Wie sie hocherfreut feststellte, sind Historiker begeistert von ihrem Buch, das sie nicht deshalb schrieb, um ihr "Nest zu beschmutzen", sondern darum, weil sie als Angehörige dieser Gesellschaftsschicht Zugang zu Unterlagen hat, von denen sie meint, dass die Öffentlichkeit ein Recht habe, darüber mehr zu wissen. Kurzum, Jutta Ditfurth geht es um Aufklärung. 


Text und Fotos von der Lesung Helga König

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