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Donnerstag, 6. Oktober 2011

Streitfall- Autoren in der Kontroverse XLVII

Heute, am 6.10.2011 / 19.30 h fand im Literaturhaus in Frankfurt die Veranstaltung „Streitfall- Autoren in der Kontroverse XVLII statt.
Für mich war diese Veranstaltung deshalb interessant, weil ich  das Buch „Warum die Deutschen? Warum die Juden?“ (S. Fischer) von Götz Aly gerade gelesen habe,  es am Wochenende rezensieren werde und mir einen Eindruck vom Autor verschaffen wollte.
Auf dem Podium saßen  Götz Aly, Franziska Augstein, Micha Brumlik, Martin Lüdke und der Gesprächsleiter Peter Kemper.
Die Veranstaltung  war eine Zusammenarbeit  zwischen  hr2-kultur und dem Literaturhaus.
Neben dem Buch des Historikers Götz Alys, das den größten Diskussionsraum einnahm, wurden ein weiteres des Frankfurter Philosophen Axel Honneth mit dem Titel „Das Recht der Freiheit“ (Suhrkamp) und „Das Unbehagen in der Gesellschaft“ (Suhrkamp) von dem französischen Soziologen Alain Ehrenberg diskutiert.
Der  Historiker Götz Aly war als einziger der drei Autoren zugegen und damit dem Feuer der Diskutanten ausgesetzt. 
Aly sieht in seinem Buch als die Hauptursache für  den mörderischen Antisemitismus den Neid der Deutschen, der eine gefährliche Melange mit überbordenden Gleichheitsgedanken und  mangelndem Freiheitssinn einging und zu den bekannten Ergebnissen führte. 

Aly wies in der Podiumsdiskussion darauf hin, dass  im 19. Jahrhundert in Deutschland  10x so viel  Juden wie Christen  Abitur machten  und verdeutlichte  damit und an diversen anderen Fakten  wie sich der Neid entwickelte. 
Brumlik  intervenierte und verwies darauf,  dass auch in England und Frankreich dieser Neid auf Juden vorhanden gewesen sei, aber kein hinreichender Grund für einen Holocaust dargestellt habe.

Wie Aly  deutlich machte, ist das Freiheits- und Gleichheitsstreben in diesen Ländern jedoch anders gewichtet und verhinderte die mörderische Sprengkraft des Neids, der bei Kollektivdenken sich anders entwickelt als  dort, wo liberale Denkstrukturen vorhanden sind. 
Die Diskutanten hatten erhebliche Probleme diesen Gedanken Alys zu akzeptieren, weil er ein völlig  neues Licht auf die Sozialdemokratie und deren ungewollte  Wegbereitung zum Nationalsozialismus  geworfen hat.
Gefallen hat mir, dass Götz Aly, als es um die anderen beiden Bücher ging, sehr zurückhaltend über diese sprach und  seine Befangenheit  gänzlich  intellektuell uneitel  bekundete.
Mein Eindruck  im Hinblick  auf Honneths Buch war, dass der Inhalt alle etwas ratlos zurückließ, weil  dessen Versuch die Gerechtigkeitstheorie als Gesellschaftsanalyse zu begreifen,  höchst kompliziert  dargelegt worden ist und offenbar eine vorherige Auseinandersetzung mit Hegel und Kant erforderlich macht.  
Neugierig machte mich das Buch des Franzosen Ehrenberg, das offenbar nicht besonders zufriedenstellend übersetzt worden sei (so Aly). In diesem Buch geht es um eine rapide Zunahme narzisstischer Persönlichkeitsstörungen und depressiver Erkrankungen in den westlichen Gesellschaften.
Wie ich meine, wurde diesem Buch leider zu wenig  Bedeutung geschenkt, obschon es doch  ein gesellschaftlich brisantes Thema behandelt, das  die gesamte westliche Welt betrifft und ganz andere Fragen aufwirft als  die Fragen, die uns  historisch bislang beschäftigt haben und immer noch beschäftigen. Wohin führt uns Narzissmus und Depression?
Helga König

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