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Freitag, 25. November 2011

Vortrag im Städel Museum in Frankfurt- Roger Willemsen spricht über Bewusstsein und Patina

Photo Roger Willemsen: 
©Anita Affentranger
Gestern, am 24.. November 2011, hielt Roger Willemsen im Rahmen der Vortragsreihe „Standpunkte der Kunst“ aus Anlass der   neueröffneten Sammlung der „Kunst der Moderne“ im Städel einen Vortrag zum Thema „Bewusstsein und Patina. Szenen aus der Kunst- und Literaturgeschichte".
Roger Willemsen stellte in diesem Vortrag, ausgehend  von seinem 2008 veröffentlichten Buch „Der Knacks“,  Beispiele aus dem Bereich Kunst und Literatur der vergangenen 200 Jahre vor, die scheinbar unmerkliche Erscheinungen der Vergänglichkeit enthalten.
Im Katalog „Kunst der Moderne, 1800-1945 im Städel Museum“, den ich heute  noch rezensieren werde, hat man Gelegenheit einen Essay Willemsens zu lesen, der den Titel „Das Kind im Knacks“ trägt, das sich mit genau der Thematik befasst, die auch in seinem Vortrag  Gegenstand seiner Betrachtung war.
Roger Willemsen sprach wie so oft  rasend schnell, ohne Manuskript und dabei überaus amüsant und kurzweilig. Die Fülle an Wissen und die Zusammenhänge, die er  in Windeseile  herstellte, versetzten mich erneut in Erstaunen. Was ist eigentlich Patina, so seine Frage, die er wortreich beantwortete.
Nicht nur Kunstwerke setzten Patina an, hielten  das Vergängliche, beispielsweise den  aufwirbelnden Staub der Museumsbesucher fest und veränderten sich dadurch, auch der Mensch werde von Patina überzogen und altere auf diese Weise. Casanova blicke in seinen autobiographischen  Betrachtungen an einer Stelle  auf den eigenen Verfall und verdichte diesen   in einem Satz  wie eine Momentaufnahme.
Patina, so wurde in  den Aufführungen klar, ist gebunden an das materielle Selbst. Goya brachte es  lt. Willemsen auf den Punkt, indem dieser  konstatierte, dass die Zeit auch ein Maler sei.
Kunst  sei wie  alles im Leben dem Verfall ausgeliefert. Wir retten sie, weil  sie ein Bestandteil unserer Kultur darstellten, müssten uns aber bewusst sein,  dass 200 Jahre alte Gemälde  nicht nur die Produkte der Maler, sondern auch solche der Zeit sind, die gewissermaßen das Ihre  zu dem Kunstwerk beigetragen haben.
Willemsen wechselte in seinen Reflexionen  von Gemälde- auf Romanbetrachtungen, sprach von „Anna Karenina“ auch von „Madame Bovary“ und zeigte hier  die eingefrorenen Momente   auf, die   vor der Phase des Übergangs den Betrachter faszinieren.
Willemsen  sprach vom "liebenden Blick", der  nach der Phase des Übergangs entstehen kann, wenn der Mensch gewissermaßen Patina angesetzt hat und verdeutlichte hierdurch, dass Patina, der Ausdruck von Vergänglichkeit, keineswegs etwas Negatives sein muss. Man muss den Prozess und all die positiven wie negativen Erfahrungen annehmen, damit dieser "liebende Blick" entstehen kann und  sollte genau mit diesem Blick  und eben nicht beckmessernd auch alte Bilder betrachten, nicht das Negative der Risse sehen, sondern das Große und Ganze.  Dies jedenfalls ist meine gedankliche Konsequenz aus Willemsens Vortrag, der eine gelungene Einladung für einen Besuch des Städel Museums  dargestellte.

Helga König

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